Liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde!
Als Vertreter der WASG Schleswig-Holstein freue ich mich, heute zu Euch in der Legienstraße reden zu können, besonders weil sich hier das Gewerkschaftshaus befindet, von dem letztlich der Sturz der Monarchie und die Novemberevolution 1918/19 ausgingen.
Begonnen es mit der Befehlsverweigerung von Matrosen auf Kriegsschiffen, die an einer letzten Schlacht gegen die britische Marine teilnehmen sollten. Durch die Meuterei der Matrosen konnte der Tod von Tausenden von Menschen verhindert werden, die zu den Millionen Kriegstoten hinzugekommen wären. Anfang November trafen sich hier im Gewerkschaftshaus Teile der Matrosen und riefen zu einer Kundgebung auf dem Exerzierplatz auf. Die Kieler Werftarbeiter erklärten ihre Unterstützung. Die Matrosen und Arbeiterinnen und Arbeiter, die sich am nächsten Tag dort versammelten, verlangten neben der Freilassung inhaftierter Kameraden eine bessere Lebensmittelversorgung und die Beendigung des Weltkrieges.
Als kaisertreue Soldaten in die Menge schossen, kam es zum Aufstand. Arbeiter- und Soldatenräte wurden gebildet, Soldaten anrückender Truppen verbrüderten sich, und auf den Schiffen der deutschen Flotte wurde die rote Fahne gehißt. Die Novemberrevolution, die damit ihren Ausgang nahm, war ein wichtiges Zeichen gegen Krieg und Ausbeutung. Letztlich jedoch war sie nicht erfolgreich, denn ein Bündnis der alten Machteliten und der Mehrheitssozialdemokratie schlug die Revolution mit Waffengewalt nieder. Die daraus resultierende Spaltung der Arbeiterbewegung war letztlich eine der Ursachen ihrer Niederlage im Kampf gegen den deutschen Faschismus.
In diesen Tagen haben wieder Soldaten öffentlich ihren Widerstand gegen einen Krieg erklärt. Der Oberstleutnant Jürgen Rose hat den Befehl verweigert. Und der Protest der Angehörigen des „Darmstädter Signals“, einer Gruppe der Friedensbewegung nahestehender Soldaten, gegen den Einsatz von Tornadoflugzeugen hat breite Aufmerksamkeit erhalten. Vergessen dürfen wir dabei nicht, daß Deutschland schon vorher sowohl am Krieg in Afghanistan als auch am Irakkrieg beteiligt war. Und die Tornados sind hier aus Norddeutschland von ihrem Stützpunkt in Jagel aufgebrochen.
Auch wenn die Situation heute eine gänzlich andere ist als 1918 (schließlich haben wir keinen Weltkrieg und keine Monarchie) – einige Dinge gleichen sich doch: So ist Deutschland seit 1989 Schritt für Schritt zu einem kriegführenden Staat geworden. Deutsche Interessen werden in aller Welt „verteidigt“. Und natürlich sind dies wieder keine Interessen an Menschenrechten, sondern wie damals harte wirtschaftliche Interessen. Der deutsche Imperialismus hat wieder sein häßliches Haupt erhoben und beteiligt sich an der Verwüstung des Erdballs.
1918 nahm die Revolution ihren Ausgang aus dem Protest gegen einen Weltkrieg, aber erweiterte ihre Ziele rasch um die Forderungen nach einer grundstürzenden Neuordnung der gesellschaftlichen Verhältnisse. Ihr Scheitern machte einen neuen Krieg möglich, der schlimmer war als alle vorangegangenen. Die Niederlage Deutschlands im Zweiten Weltkrieg hatte als Konsequenz die Forderung, nie wieder dürfe Krieg von deutschem Boden ausgehen. Die Häftlinge von Buchenwald schworen sich, neben der „Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln“, „eine neue Welt des Friedens und der Freiheit“ aufzubauen.
Ich rede heute zu Euch als Vertreter einer Partei, die aufgebrochen ist, zusammen mit der Linkspartei.PDS eine neue bundesdeutsche Partei zu etablieren. Diese Partei muß und wird sich in die Tradition der Bewegungen gegen Krieg und Ausbeutung stellen, also auch in die Tradition der deutschen Friedensbewegung. Unsere gemeinsame Fraktion im Bundestag macht schon jetzt Friedenspositionen im deutschen Bundestag wieder hörbar. Nicht zuletzt hat der Eilantrag gegen die Entsendung der Tornadoflugzeuge Aufsehen erregt, auch wenn er gescheitert ist. Aber die Hauptverhandlung steht in dieser Sache noch an.
Doch wir werden nur dann beitragen können zu einem Wandel in Richtung von Frieden und sozialer Gerechtigkeit, wenn wir die enge Zusammenarbeit mit den außerparlamentarischen Bewegungen suchen. Um nicht Stück für Stück den Verlockungen der politischen Klasse zu erliegen, nicht in Opportunismus und Anpassung zu verfallen, braucht die neue Linke den Druck der sozialen Bewegungen und der Friedensbewegung. Dann werden wir gemeinsam wichtige Schritte auf dem Weg zu einer friedlichen Gesellschaft gehen können.
1918 hatten viele Menschen erkannt, daß Kriege ihre Ursache in Ausbeutung und Profitstreben haben. Heute ist es nicht anders: In unserem Kampf für den Frieden sollten wir immer betonen, daß Kriege benennbare Ursachen haben, die in der gegenwärtig kapitalistisch verfaßten Gesellschaftsordnung wurzeln. Wollen wir dauerhaft für den Frieden streiten, gehört dazu auch das Ringen um soziale Gerechtigkeit und um die Entmachtung der Wirtschaftsbosse, ihrer Profiteure und Handlanger in der Politik.