Welttag des Buches

Meine Tätigkeit als Bundestagsabgeordneter macht mir wahnsinnig Spaß. Nur eine Sache bedauere ich wirklich: dass ich viel zu selten zum Lesen komme. Meine Mitarbeiter*innen haben vorgeschlagen, ich möge zum "Welttag des Buches" hier ein Werk vorstellen, das mir besonders am Herzen liegt. Naheliegend wäre jetzt vielleicht das "Kommunistische Manifest" gewesen, gerade angesichts der Europawahl. Gedacht habe ich auch an Leonhard Franks "Links wo das Herz ist", ein autobiographischer Roman eines Autors, der mir besonders wichtig ist. Entschieden habe ich mich jetzt für "Der Sozialismus und die Seele des Menschen" von Oscar Wilde.

Sein Essay ist für mich von unglaublicher sprachlicher Wucht, so dass ich Schwierigkeiten hatte, ein (von vielen!) Zitat für das Sharepic auszuwählen. Falls Ihr das Buch noch nicht gelesen habt, lest das englische Original, auch wenn ich die Übersetzung von Gustav Landauer sehr gelungen finde. Der Sozialismus, den Wilde dort entwickelt, auch seine Betrachtungen zur Bedeutung der Kunst, sind so hellsichtig, dass ich denke, Vieles davon brauchen wir heute noch: Seine Erklärung dafür, warum eine Gesellschaft Utopien braucht, eine Vorstellung davon, wie es besser sein kann. Seine Ablehnung eines autoritären Sozialismus. Die Kritik an einem Wohlfahrtsstaat, der nicht die Armut bekämpft, sondern nur die Symptome lindert. Und die Einsicht, dass gesellschaftliche Entwicklung durch Ungehorsam, nicht durch Gehorchen zustandekommt. Da musste ich natürlich eben wieder an FridaysForFuture, Ende Gelände und Extinction Rebellion denken. Kurz und gut: Geht in den Buchladen Eures Vertrauens und kauft Wildes Essay.