
Der Besuch des Marineehrenmals in Laboe war für mich heute nicht nur als Politiker, sondern besonders auch als Historiker interessant: Auf Initiative unserer Hochschulgruppe dielinke.SDS Kielwollten wir dort im Rahmen der Revolutionsstadt Kielheute Morgen einen Kranz ablegen. Erinnern wollten wir damit an „alle mutigen Matrosen, die den Befehl verweigerten, die Flotte sabotierten und dem Krieg ein Ende setzten.“ Vor 100 Jahren verweigerten Matrosen den Befehl der Marineführung, in eine letzte Schlacht gegen die Briten auszulaufen. Das war der Beginn der Novemberrevolution, des Sturzes der Monarchie und des Endes des Ersten Weltkrieges.
Als wir das Marineehrenmal erreichten, war das Gelände bereits abgesperrt. Polizei war vor Ort. Das gesamte Gelände war für Besucher*innen geschlossen. Uns wurde mitgeteilt, wir dürften das Gelände nicht betreten, der Marinebund mache von seinem Hausrecht Gebrauch (Hausverbot). Wir haben schließlich davor, an der Absperrung, eine Kundgebung abgehalten. Anschließend sind wir ohne Kranz auf das Gelände gegangen, um uns die Örtlichkeiten und die Ausstellung anzuschauen und haben stattdessen unseren Gedenkspruch ins Gästebuch eingetragen.
Für mich als Historiker war es interessant, mir bei dieser Gelegenheit die Konzeption der Ausstellung am Ehrenmal und die geschichtspolitische Herangehensweise anzuschauen, zumal das Ehrenmal mit Hundertausenden an Euro mit öffentlichen Geldern gefördert wird. Begibt man sich unterirdisch in die Ehrenhalle des Marineehrenmals, findet sich dort beispielsweise eine Gedenktafel in Erinnerung an die Gefallenen „im Einsatz für Volk und Vaterland“. Hier wird die Dolchstoßlegende ohne distanzierende Worte wiederaufleben lassen: Die Flotte sei „vom Gegner auf allen Meeren unbesiegt“. In der Eingangshalle des Ehrenmals finden sich links die Jahreszahlen „1914-1918“ und rechts „1939-1945“. In der Mitte prangt der Spruch „Sie starben für uns“. Wer dieses „uns“ ist, bleibt im Dunklen. Es werden wohl nicht die Millionen Opfer des Naziregimes gewesen sein. Der Spruch der Grundsteinlegung von 1927 lautet „Für deutsche Semanns-Ehr‘ / Für Deutschlands schwimmende Wehr / Für beider Wiederkehr.“ Er deutet die revanchistische Ausrichtung des Bauwerks an, die auch heute noch zu erkennen ist. So finden sich im Flaggenraum des Turmes des Ehrenmals vollkommen distanzlos preußische Flaggen, die Reichskriegsflagge, die Flagge der DDR und die Hakenkreuzfahne.
Die begleitende Ausstellung bemüht sich um eine Darstellung, die den Marinebund und die Marine wo möglich entschuldigt: Über das Verhältnis von Kriegsmarine und NS-Regime heißt es dort, sie hätte bis 1943 noch „eine gewisse Distanz zum NS-Regime gehalten“, unter dem Großadmiral Erich Raeder. Zum Hintergrund ist interessant: Raeder erhielt am 30. Januar 1937 das Goldene Parteiabzeichen der NSDAP. Er wurde im Nürnberger Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher vor dem Internationalen Militärgerichtshof angeklagt und in drei Anklagepunkten schuldig gesprochen. Wenn dort steht, erst ab 1943 unter Dönitz sei die Kriegsmarine in NS-Verbrechen „verstrickt“ gewesen, erscheint dies seltsam passiv. So wird folgerichtig an der Legende von den ahnungslosen Deutschen, auch im Bereich der Marine, gestrickt: „Die meisten Marineangehörigen kämpfen im guten Glauben, ihre Heimat zu verteidigen, ohne zu wissen, dass sie von einem verbrecherischen Regime missbraucht werden.“ Über die Wehrmachtsjustiz heißt es schließlich: „Nicht alle von der Kriegsmarinejustiz zum Tode Verurteilten sind Widerstandkämpfer. Viele haben sich im strafrechtlichen Sinne schuldig gemacht.“ Das ignoriert, dass dieses Strafrecht genutzt wurde, um Unrecht durchzusetzen, dass Widerstand in diesen Zeiten bedeutete, sich mit dem Rechtssystem des deutschen Faschismus anzulegen.