Das Ruder nicht aus der Hand geben

Gastbeitrag von mir bei www.klimaretter.info

http://www.klimaretter.info/meinungen/standpunkte/24501-die-linke-muss-mitreden

 

In der Kohle-Kommission spielen die Gegner des Kohleausstiegs auf Zeit. Für ein schnelles und soziales Kohleausstiegsdatum braucht es im Gremium DIE LINKE, stellt Lorenz Gösta Beutin, Energie- und Klimapolitiker die Strukturwandel-Pläne seiner Partei vor.

Es ist das erste Gremium zur Befriedung der Energiewende in Deutschland überhaupt. Doch bevor die Kohlekommission überhaupt losrollt schmeißen die Gegner eines Kohleausstieges mächtig mit Grubendreck um sich. 

Die Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ - die ihren sozial-ökologischen Arbeitsauftrag nicht einmal im Titel trägt - dürfe alles, nur keinen „radikalen Kohleausstieg“ hervorbringen, wirft Michael Vassiliadis, Vorsitzender der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IGBCE) Klimaschützern vor „unseriös“ zu handeln. Sachsens CDU-Ministerpräsident Michael Kretschmer gibt den Angstmacher. Der Ausstieg aus der Kohle dürfe „keinen abrupten Abbruch wie 1990“ lostreten (zur Erinnerung, die „blühenden Landschaften“ im Osten hat seine Partei zu verantworten).

Die sinnvolle Forderung nach einer geteilten Federführung von Wirtschafts- und Umweltministerium in der Kommission watscht der Lausitzer SPD-Bundestagsabgeordnete Ulrich Freese als dumme „Beton-Ideologie“ ab. Auch der CDU-Parlamentarier Klaus Peter Schulze aus Brandenburg tritt auf die Vollbremse. Ein Datum für den Ausstieg aus der Kohleverstromung dürfe keine „Priorität“ der Kommission sein. Für ihn sei es „absurd“ im Gremium von Beginn an über das Ende der Kohle zu reden. Aus dem Koalitionsvertrag gehe seiner Meinung nach „eindeutig“ hervor, dass es sich bei der Kommission „nicht um eine Kohleausstiegskommission“ handele, findet der Ex-Bürgermeister aus Spremberg. Die Hoffnung auf eine dringend notwendige Beschleunigung der Energiewende trampelt dann diese Woche Wirtschaftsminister Peter Altmaier in Grund und Boden. Auf einer internationalen Energie-Konferenz in Berlin erklärte der Ex-Umweltminister, Deutschland werde seine „Kohleproduktion bis 2030 um die Hälfte reduzieren“. Das ist eigentlich eine de-facto-Aufkündigung des Pariser Klimaabkommens. Überhaupt stehe ein rasches Kohleausstiegsdatum nicht zur Debatte, das Ende der Kohle würde nicht „zwei, drei Jahre dauern“ (wer behauptet das?), „sondern viel länger“, spielt Merkels Obervertrauter auf Zeit.

Den Kopf angesichts dieses Sperrfeuers jetzt in den märkischen Sand stecken? Natürlich nicht! Jetzt erst Recht! Die Kommission hat laut Groko-Vertrag den unmissverständlichen Auftrag, „einen Plan zur schrittweisen Reduzierung und Beendigung der Kohleverstromung“ zu erarbeiten. Und zwar „einschließlich eines Abschlussdatums“.  Um das Feld nicht den ewigen Bremsern der Energiewende zu überlassen muss auch DIE LINKE mit über das sanfte Ende der Kohleindustrie entscheiden. Schließlich ist DIE LINKE neben Bündnis90/Die Grünen eine der zwei politischen Kräfte in Deutschland, die ein konkretes Ausstiegsdatum (2035/2030) im Programm haben. DIE LINKE ist ein relevanter politischer Akteur, in zwei der drei großen Kohleregionen Deutschlands (Lausitz und das Mitteldeutsches Revier) wurde die Partei der sozialen Gerechtigkeit und des sozial-ökologischen Umbaus in Fraktionsstärke in die Landtage gewählt: Brandenburg, Berlin, Sachsen und Sachsen-Anhalt. In Brandenburg und Berlin hat DIE LINKE sogar Regierungsverantwortung. Für uns wäre es darum schwer vorstellbar, dass die Kommission ohne Linke den richtigen Weg einschlägt. Darum hat auch die Parteivorsitzende Katja Kipping einen Brief an Altmaier geschickt, und eine Teilnahme angemahnt, um nicht wie schon bei der Atomkommission ausgegrenzt zu werden.

Der Einstieg in den Ausstieg muss endlich losgehen. Weil Zeit und CO2-Budget für die Erreichung des Pariser Klimaabkommens, die Erderwärmung bis Ende des Jahrhunderts auf deutlich unter 2 Grad zu begrenzen, rasend schnell verrinnt muss auch Deutschland seine Klimapolitik verschärfen. Allein im Energiesektor muss das künftige Reduktionstempo im Vergleich zu 1990 bis 2014 vervierfacht werden. Ohne sofortiges Handeln wird das 2020-Klimaziel der Bundesregierung krachend verfehlt. Die Kommission muss – nimmt sie ihren Auftrag laut Koalitionsvertrag ernst - Sofortmaßnahmen vorlegen, „um die Lücke zur Erreichung des 40 Prozent-Reduktionsziels bis 2020 so weit wie möglich zu reduzieren“. Die Abschaltung der 20 dreckigsten Kohlemeiler wäre so ein Startschuss. Neben der ordnungsrechtlichen Kraftwerksabschaltung wäre die Einführung eines CO2-Mindestpreises, wie es jüngst das renommierte Öko-Institut vorgeschlagen hat.

DIE LINKE an Bord der Kohle-Kommission braucht es gerade auch wegen ihrer sozialen Kompetenz und als Ostdeutschland-Expertin. Unser Rezept gegen Jobverlust-Panikmache und eine zweite De-Industrialisierung: Eine langfristiger sozial-ökologischer Umbau- und Strukturwandelplan, 400 Millionen Euro Steuermittel jährlich für einen vollen Strukturwandelfonds für die betroffenen Reviere. Abschaffung der Stromsteuer zur Entlastung privater Haushalte, um einen möglichen Strompreisanstieg infolge von CO2-Mindestpreisen zu kompensieren und damit die Akzeptanz der Energiewende in der breiten Bevölkerung spürbar zu befördern. Beteiligungsmöglichkeiten für Kommunen und Bürger, denn das Geschäft mit den sauberen Energien darf nicht den großen Kapitaleignern und Konzernen überlassen werden. In der Lausitz, im Rheinischen Revier, in Europa oder Übersee, der Ausstieg aus den zerstörerischen Brennstoffen Kohle, Öl und Gas ist ohne Verwerfungen nur dann möglich, wenn diese große Energie-Revolution sozial, gerecht und ökologisch über die Bühne geht. Das Ruder des Handelns dürfen wir nicht den Gegenkräften überlassen.