Gerücht übers Busfahren

Notizen aus dem Raumschiff II:

 

Das Gerücht übers Busfahren

 

"Der Antisemitismus ist das Gerücht über die Juden." (Adorno) Deshalb konnte der Holocaust in seiner mörderischen, auch industriell mordenden, letztlich "modernen" Form so in Deutschland passieren, wo die Jüdinnen und Juden mit am meisten assimiliert waren, deshalb gerade den Antisemiten als so mächtig erschienen.

 

Antisemitismus ist eine besondere Form des Rassismus, nicht mit diesem identisch. Dennoch: Die Sache mit dem Gerücht hat einen zentralen Kern:

Schaut man sich die Wahlergebnisse der AfD an, sind sie am stärksten dort, wo es am wenigsten Geflüchtete gibt. Sie sind am niedrigsten, wo Antirassismus Praxis ist, wo Solidarität geübt wird und gesellschaftliche Teilhabe von Geflüchteten praktiziert wird. Das wäre erst einmal eine These, anhand vieler Beispiele in den letzten Jahren, müsste natürlich noch einmal weiter empirisch untersetzt werden.

 

Das bedeutet, die Annahme, Rassismus sei eine Reaktion auf eine soziale Realität, die Wahl der Rechtsradikalen eine Entscheidung aus sozialer Not, stimmt so nicht. Ja, die Basis ist die ökonomische Lage, sind auch reale soziale Probleme. Aber Rassismus ist keine Antwort darauf, sondern die Antwort auf eine Deutung der sozialen Verhältnisse. Die Deutung wird uns allabendlich durch das Fernsehen transportiert: Wir müssen mehr für Integration tun, wir müssen mehr abschieben, wir müssen unsere Grenzen sichern. Wir brauchen mehr Überwachung, mehr innere Sicherheit. Anstatt die Ursachen, auch die Ursachen von Flucht anzugehen, wird das wie eine Folie über die sozialen Verhältnisse gelegt. Das macht es auch so schwer, dagegen zu argumentieren (was dennoch immer wieder unerlässlich ist).

 

Deshalb hilft es nicht, sich einer Rhetorik zu bemüßigen, die den rechten Diskurs kopiert, in der Hoffnung, die Leute nach dem Busfahrerprinzip mitzunehmen. Nein, das rassistische Meinen wird dadurch bestärkt, reproduziert. Die Leute bleiben an der Bushaltestelle stehen, letztlich steigt auch der Busfahrer aus und gesellt sich dazu.

 

Was hilft? Argumentieren, beharrlich. Die Standpunkte schärfen. Solidarität und konkrete Gegenwehr organisieren. Und nicht zuletzt, sondern als Teil der Strategie: Sehr konkrete soziale Alternativen aufzeigen, das Lager der Humanität stärken und auch die angehen, die für anti-soziale Politik und Abwendung von der Demokratie verantwortlich sind, die Neoliberalen u.a. Wenn uns das gelingt, da sehr konkret zu sein, auch aufzuzeigen, dass Solidarität stärker als Hass ist, bekommen wir wieder mehr Menschen dazu, in unseren Bus einzusteigen, oder so.