
Ein Tag vor Weihnachten, das Jahr schon fast abgeschlossen, was Offizielles angeht, noch etwas Zeit, persönlich zurückzublicken. „In Bewegung kommen“ könnte das Motto von 2015 sein, in vielerlei Hinsicht:
Pegida und co. waren ein dominierendes Thema. Zwar trauten sie sich in Kiel nicht aus ihren Löchern, doch gelang es uns, auf
Initiative von Frank Hornschu (Geschäftsführer DGB KERN) ein breites Bündnis mit dem Namen „Kiel Weltoffen“ auf die Beine zu stellen. Am 27. Januar, dem 70. Jahrestag der Befreiung von Auschwitz, demonstrierten 11.000 Menschen in Kiel bei einer der größten Demonstrationen in der nördlichsten Hauptstadt, gegen Pegida und Rassismus und für ein weltoffenes Kiel. Konkretes antirassistisches Engagement stand ohnehin in diesem Jahr mehr im Vordergrund, die Auseinandersetzung mit den „Mahnwachen für den Frieden“ – die es mittlerweile glücklicherweise in Schleswig-Holstein nicht mehr gibt – fand eher in der Frage nach den Alternativen friedenspolitischen Engagements ihren Ausdruck.
Friedenspolitisches Engagement

So war auch der Ostermarsch in 2015 deutlich antimilitaristisch geprägt, viele Jugendliche aus dem antirassistischen und antimilitaristischen Umfeld sorgten für einen bunteren Ostermarsch als in den vergangenen Jahren. Gen April ging es dann um die Vorbereitung von „Stop G7 Lübeck“ anlässlich des Außenministertreffens der G7-Staaten in der Hansestadt. Etwa 1500 Menschen beteiligten sich an dem lauten und bunten Protest und machten unsere Forderung nach einer anderen, solidarischen Welt deutlich.
Für die „Kieler Woche“ plante das „Institut für Sicherheitspolitik an der Universität Kiel“ (ISPK) gemeinsam mit dem NATO-Think Tank „Center of Excellence for Operations in Confined and Shallow Waters“ (COECSW) eine Konferenz nach dem Vorbild der „Münchner Sicherheitskonferenz“ - die "Kiel Conference". In einem breiten Bündnis von Gewerkschaft, AStA der Uni Kiel, Parteien und Jugendgruppen sowie unterschiedlichen Initiativen mobilisierten wir gegen diese Kriegs-Konferenz, mit einer gut besuchten Veranstaltung im Vorfeld sowie einer Demo, die direkt auf der „Kieler Woche“ am Riesenrad endete.

Es gelang uns, in allen Medien die Gegenpositionen zu Rüstungsproduktion und Kriegsplanung sicht- und hörbar zu machen. In 2016 soll dieser Protest fortgesetzt werden, in einem ähnlich breiten Bündnis, eventuell mit einer alternativen Friedenskonferenz. Ohnehin wird sich in 2016 zeigen, ob es gelingt, im Norden das friedenspolitische Engagement weiter auf eine breitere Basis zu stellen, neue Kräfte einzubinden und gleichzeitig unsere grundsätzlichen antifaschistischen und antirassistischen Grundsätze beizubehalten.
Flüchtlingspolitik und Fluchtursachen
Die zweite Jahreshälfte war dominiert dadurch, dass immer mehr Menschen auch zu uns in den Norden kamen, auf der Flucht vor Krieg und Verfolgung, auf der Suche nach Schutz und einem Leben ohne Angst. Auch in Schleswig-Holstein gab es in 2015 vier Brandanschläge auf Unterkünfte von Geflüchteten, wie die Angriffe ja auch bundesweit dramatisch zunahmen. Auf der anderen Seite steht ein breites zivilgesellschaftliches Engagement für Geflüchtete, nicht nur in Kiel, sondern auch in vielen anderen Städten Schleswig-Holsteins, viele Mitglieder der LINKEN mittendrin, ob in den nördlichen Kreisen, in den kreisfreien Städten oder auch im Hamburger Randgebiet. Dass die Antwort der Politik auf den Terror des rassistischen Mobs und rassistische Parolen ob aus AfD oder CSU dann nicht eine breite Diskussion über Fluchtursachen, über Krieg, Waffenexporte und globale Ungleichheit, sondern die weitere drastische Verschärfung des Asylrechts sein würde, exekutiert wieder einmal von SPD und CDU, abgesegnet im Bundesrat von der „Küstenkoalition“ aus SPD, Grünen und SSW, ist zwar erwartbar gewesen, dennoch ein erneutes Trauerspiel. Ob sich daran 2016 etwas ändern wird? Wir kämpfen jedenfalls dafür, dass deutlich wird: Es ist keine Flüchtlingskrise, sondern eine Krise des Kapitalismus und der Industriestaaten.

Das Jahr begann mit Terroranschlägen in Paris, im November folgten weitere, noch verheerendere Anschläge. Ja, der Terror ist ein Angriff auf die Art und Weise, wie wir leben, auf unsere Freiheiten. Und ja, wir müssen den Terror bekämpfen. Dennoch bleibt es bei der Frage nach dem „Wie“. Ist eine Politik zur Bekämpfung des Terrors geeignet, die ungebrochen Waffen in die Krisenregionen exportiert, die die Rüstungsexporte gerade in 2015 erneut gesteigert hat, die an Saudi-Arabien und andere geistige Verwandte des IS Waffen sendet, die die Konflikte in der Region fleißig anheizen? Ist es zielführend, wenn die Türkei mit Milliarden gefördert wird, während sie im eigenen Land Kurdinnen und Kurden mordet, die beispielsweise in Syrien wirksam Widerstand leisten gegen den IS und sich in Rojava versuchen an einem demokratischen Gemeinwesen, während auf der anderen Seite die Finanzströme nicht trockengelegt werden, durch indirekte Ölkäufe und Infrastruktur auch von europäischen Unternehmen der IS weiter nicht geschwächt wird, sondern eher das Gegenteil geschieht? Ich halte die aktuelle Politik für grundfalsch und kontraproduktiv, befürchte, dass sie dem IS sogar in die Hände spielt, auch indem sie den Hass in den Regionen verschärft, in denen vor lauter Bombardements unterschiedlichster Kräfte kaum noch ein Stein auf dem anderen steht. Auch deshalb habe ich in Jagel mit meinen Genoss*innen, mit Aktiven von attac und DFG-VK demonstriert gegen die Entsendung von deutschen Tornados und Soldat*innen in den Syrienkrieg.
Landessprecher für DIE LINKE. Schleswig-Holstein
Im politischen Bereich habe ich beschlossen, in meiner Partei wieder mehr Verantwortung zu übernehmen. Im November habe ich als Landessprecher für DIE LINKE in Schleswig-Holstein kandidiert und bin mit Marianne Kolter aus dem Kreis Pinneberg, bekannt aus der Anti-AKW-Bewegung, und zehn weiteren Genoss*innen gewählt worden. Den Jahresrückblick von Marianne und mir findet Ihr auf der Startseite der LINKEN. Schleswig-Holstein.

Ein quotierter Landesvorstand, endlich wieder vollständig besetzt, der mir Hoffnung macht, auch 2016 die Partei voranbringen zu können, auch und gerade im Hinblick auf die Landtagswahlen. Dass es uns gelungen ist, die politische Bildungsarbeit im Landesverband wieder anzustoßen, wir ein breites Seminarangebot entwickelt haben und auch bereits an einem Wochenende ein Grundlagenseminar durchgeführt haben, trägt zu meinem Optimismus bei. In 2016 wird es da sicher um die inhaltliche Arbeit gehen, um die Konsolidierung der Kreisverbände, aber auch darum, in den Bündnissen und Bewegungen, mit unseren Bündnispartner*innen gemeinsam aktiv zu bleiben und noch mehr als DIE LINKE. Schleswig-Holstein in der Öffentlichkeit präsent zu sein. Ich bin überzeugt: Wir brauchen gerade angesichts der Politik der Küstenkoalition in Schleswig-Holstein DIE LINKE als soziale Alternative, als eine starke Kraft, nicht nur in Bündnissen und auf der Straße, sondern auch und immer mehr in den kommunalen Vertretungen und ab 2017 im Landtag!
Abschied und Neubeginn

Privat war 2015 für mich im Herbst durch einen großen Verlust gekennzeichnet, durch den Tod meines Großvaters. Auch wenn er 93 Jahr alt geworden ist, auch wenn er ein erfülltes Leben hatte, 68 Jahre davon verheiratet mit meiner Großmutter, auch wenn der Gedanke tröstlich ist, dass er nicht leiden musste und genau am Geburtstag meiner bereits 2012 verstorbenen Großmutter eingeschlafen ist – der Tod eines geliebten Menschen ist doch ein tiefer Einschnitt im Leben. Es bleiben die Erinnerungen, unzählige.
2015 bin ich dann auch, ab Ende August, privat in Bewegung gekommen. Das Wohnen an der Ostsee bietet ohnehin viele Vorteile, als Familie genißen wir es sehr. In diesem Jahr habe ich das dann noch intensiver erlebt, weil ich beschlossen habe, dass die Folgen einer meist sitzenden Tätigkeit doch nicht so toll sind, und endlich wieder intensiv Sport betreibe, häufig an der frischen Luft. Dass dann seit Ende August bis heute 12 Kilo sich von meinen Hüften und sonstwo verabschiedet haben, ist erwünschter Nebeneffekt - fühlt sich gut an so.
2015 war ein durchwachsenes Jahr, aber von welchem Jahr könnte man das nicht sagen? Gerade politisch hat sich für mich viel bewegt, und für 2016 bin ich optimistisch, dass es in die richtige Richtung weitergeht. Nun habe ich viele Themen und Aktivitäten nicht an dieser Stelle erwähnt, damit der Text nicht zu lang wird, etwa die gelungene NOlympia-Kampagne, die Wahl Bodo Ramelows in Thüringen, die von Syriza in Griechenland, die große Anti-TTIP-Demo in Berlin oder das aus meiner Sicht viel zu zahnlose Klimaabkommen. All das hatte seine Bedeutung für mich, hat nur hier keinen Platz mehr gefunden.
Ich bin gespannt auf das Neue Jahr, freue mich darauf, viele liebgewonnene Menschen widerzutreffen, neue hinzuzugewinnen – und gemeinsam mit meinen Genoss*innen in der LINKEN weiter in Bewegung zu bleiben für Freiheit, Gleichheit, Solidarität, für die ganz andere Gesellschaft der Freien und Gleichen, einen emanzipatorischen Sozialismus.
In diesem Sinne: Kommt gut nach 2016, wir sehen uns!
Mit solidarischen und herzlichen Grüßen
Lorenz Gösta Beutin